1 00:00:06,960 --> 00:00:08,160 EASIT 2 00:00:08,240 --> 00:00:11,440 Training in leichter Zugänglichkeit für mehr Teilhabe. 3 00:00:12,360 --> 00:00:14,720 Das ist Einheit 1: Barrierefreie Mediennutzung 4 00:00:14,800 --> 00:00:16,640 Element 1: Diversität in der Gesellschaft. 5 00:00:16,720 --> 00:00:18,600 Videovorlesung: Konzepte von Behinderung. 6 00:00:18,680 --> 00:00:19,880 Ich bin Anna Matamala 7 00:00:19,960 --> 00:00:21,960 von der Universitat Autònoma de Barcelona. 8 00:00:22,360 --> 00:00:25,640 In dieser Videovorlesung spreche ich über verschiedene Modelle, 9 00:00:25,720 --> 00:00:28,480 die sich mit dem Konzept der Behinderung befassen. 10 00:00:29,000 --> 00:00:31,560 Meine Hauptquellen sind drei Artikel. 11 00:00:32,000 --> 00:00:35,520 Ein Artikel von Maria Berghs, Karl Atkins and Hilary Graham: 12 00:00:35,920 --> 00:00:39,200 "Scoping models and theories of disability". 13 00:00:39,680 --> 00:00:42,720 Ein Artikel von Pilar Orero und Irene Tor-Carroggio: 14 00:00:42,800 --> 00:00:44,040 "User requirements 15 00:00:44,120 --> 00:00:46,440 when designing learning e-content: 16 00:00:46,520 --> 00:00:47,720 Interaction for all". 17 00:00:47,800 --> 00:00:49,920 Und einen Artikel, an dem ich mitschrieb: 18 00:00:50,000 --> 00:00:53,400 "User-centric approaches in access services evaluation: 19 00:00:53,480 --> 00:00:55,120 profiling the end user". 20 00:00:56,120 --> 00:00:58,680 Das älteste Paradigma zum Verständnis von Behinderung 21 00:00:58,760 --> 00:01:01,320 in der westlichen Welt, ist das moralische Modell. 22 00:01:01,400 --> 00:01:03,920 Dieses basiert auf religiösen Überzeugungen. 23 00:01:04,000 --> 00:01:06,760 Behinderung verbinde man mit Sünde und Scham. 24 00:01:06,840 --> 00:01:09,400 Behinderung sei als Glaubensprüfung angesehen. 25 00:01:09,480 --> 00:01:11,880 Die Reaktion der Gesellschaft auf Behinderung 26 00:01:11,960 --> 00:01:14,080 sei Wohltätigkeit und Herablassung. 27 00:01:15,200 --> 00:01:18,200 Das medizinische Modell definiert Behinderung 28 00:01:18,280 --> 00:01:21,600 als eine zu behebende, biologische Pathologie. 29 00:01:22,120 --> 00:01:25,120 Dieser Ansatz verbesserte die medizinische Diagnose 30 00:01:25,160 --> 00:01:26,280 und Behandlung. 31 00:01:26,360 --> 00:01:29,440 Er entwickelte jedoch eine unausgewogene Situation, 32 00:01:29,520 --> 00:01:33,560 in der Ärzte die Experten sind und Patienten passive Individuen. 33 00:01:35,120 --> 00:01:37,000 Das soziale Modell von Behinderung, 34 00:01:37,080 --> 00:01:40,360 entwickelt in den 1960er und 70er Jahren in Großbritannien, 35 00:01:40,440 --> 00:01:44,640 macht im Gegensatz zum medizinischen Modell, ich zitiere, 36 00:01:45,040 --> 00:01:47,840 "eine Unterscheidung zwischen Behinderung 37 00:01:47,920 --> 00:01:51,520 als Ausdruck von Unterdrückung und Benachteiligung 38 00:01:51,600 --> 00:01:54,600 und Beeinträchtigung als körperlicher, sensorischer, 39 00:01:54,680 --> 00:01:57,360 kognitiver oder psychischer Gesundheitszustand". 40 00:01:57,440 --> 00:01:58,960 Das war ein Zitat von Berghs. 41 00:01:59,280 --> 00:02:02,640 Der Schwerpunkt wandert von der Person zur Gesellschaft: 42 00:02:02,720 --> 00:02:06,640 Behinderung entsteht nicht durch individuelle Beeinträchtigung, 43 00:02:06,920 --> 00:02:08,600 sondern durch die Gesellschaft, 44 00:02:08,680 --> 00:02:11,920 die diese individuellen Unterschiede nicht berücksichtigt. 45 00:02:12,000 --> 00:02:14,560 Auch dieses Modell ist nicht ohne Kritik. 46 00:02:15,960 --> 00:02:17,320 Das Menschenrechtsmodell 47 00:02:17,400 --> 00:02:21,080 versucht das medizinische und soziale Modell zu übertreffen 48 00:02:21,160 --> 00:02:23,040 und wird als Instrument angesehen, 49 00:02:23,120 --> 00:02:24,680 zur Umsetzung der UN-BRK, 50 00:02:24,960 --> 00:02:29,160 die UN-Behindertenrechtskonvention. 51 00:02:30,000 --> 00:02:33,800 Menschenrechtsansätze verwenden Person-First-Definitionen 52 00:02:33,880 --> 00:02:37,440 und schaffen gesetzliche, politische, kulturelle, soziale 53 00:02:37,600 --> 00:02:39,160 und wirtschaftliche Rechte. 54 00:02:39,240 --> 00:02:41,040 In der Person-First-Sprache 55 00:02:41,120 --> 00:02:43,800 sprechen wir von "Menschen mit Behinderungen". 56 00:02:43,880 --> 00:02:47,160 Im Gegensatz zu Ausdrücken, die mit der Behinderung beginnen: 57 00:02:47,240 --> 00:02:49,280 "autistischer Junge" zum Beispiel. 58 00:02:49,720 --> 00:02:52,920 Die internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, 59 00:02:53,000 --> 00:02:55,560 Behinderung und Gesundheit (Abkürzung: ICF), 60 00:02:55,880 --> 00:03:00,120 genehmigt im Jahr 2001 von der UN-Weltgesundheitsorganisation, 61 00:03:00,520 --> 00:03:04,600 bezeichnet man mittlerweile als Bio-psycho-sozial-Modell. 62 00:03:05,080 --> 00:03:07,000 Dieses kombiniert die medizinischen 63 00:03:07,080 --> 00:03:09,240 und sozialen Ansätze zur Behinderung. 64 00:03:09,760 --> 00:03:13,000 Es war eine Reaktion auf die Übermedikalisierung 65 00:03:13,080 --> 00:03:16,280 der International Classification of Impairments, 66 00:03:16,360 --> 00:03:19,720 Disabilities and Handicaps (Abkürzung: ICIDH) 67 00:03:20,400 --> 00:03:22,720 und die Tendenz des sozialen Modells, 68 00:03:22,800 --> 00:03:26,240 biomedizinische Ursprünge von Behinderungen auszuklammern. 69 00:03:26,840 --> 00:03:30,160 Dieses Modell sieht Behinderung als ein Zusammenspiel 70 00:03:30,240 --> 00:03:33,200 von physischen, psychischen und sozialen Faktoren. 71 00:03:33,280 --> 00:03:34,680 Das Modell fand Verwendung 72 00:03:34,760 --> 00:03:38,480 im Disability Assessment Schedule der Weltgesundheitsorganisation, 73 00:03:38,560 --> 00:03:40,920 den es mittlerweile in der Version 2.0 gibt. 74 00:03:42,000 --> 00:03:45,080 Aktueller ist das Modell der menschlichen Entwicklung. 75 00:03:45,160 --> 00:03:46,960 Vorgeschlagen von Sophie Mitra, 76 00:03:47,040 --> 00:03:49,400 unter Verwendung des Fähigkeitsansatzes 77 00:03:49,480 --> 00:03:51,320 von Martha Nussbaum und Amartya Sen. 78 00:03:51,400 --> 00:03:55,080 Nach Mitra, kann Behinderung wie folgt verstanden werden: 79 00:03:55,600 --> 00:03:59,000 als "eine Deprivation in Bezug auf Funktion(en) 80 00:03:59,600 --> 00:04:01,160 und/oder Fähigkeit(en) 81 00:04:01,240 --> 00:04:04,360 von Personen mit gesundheitlichen Deprivationen". 82 00:04:04,760 --> 00:04:07,440 Nach Mitra umfassen gesundheitliche Deprivationen 83 00:04:07,520 --> 00:04:10,000 Beeinträchtigungen und Gesundheitszustand 84 00:04:10,080 --> 00:04:13,880 nach den Definitionen der Weltgesundheitsorganisation. 85 00:04:14,640 --> 00:04:18,240 Fähigkeiten beziehen sich auf praktische Möglichkeiten. 86 00:04:19,080 --> 00:04:21,640 Funktionen beziehen sich auf Leistungen. 87 00:04:22,520 --> 00:04:24,600 Laut Mitra, ich zitiere, 88 00:04:25,360 --> 00:04:28,080 "entsteht Behinderung aus der Interaktion 89 00:04:28,160 --> 00:04:32,120 zwischen Ressourcen, persönlichen und strukturellen Faktoren 90 00:04:32,440 --> 00:04:34,400 und gesundheitlichen Deprivationen. 91 00:04:34,840 --> 00:04:37,880 Behinderung bezeichnet eine Art von Deprivation 92 00:04:37,960 --> 00:04:42,000 oder Benachteiligung, die Gegenstand von Richtlinien sein kann". 93 00:04:42,880 --> 00:04:45,520 In Mitras Terminologie sind persönliche Faktoren 94 00:04:45,600 --> 00:04:47,520 zum Beispiel Alter oder Geschlecht. 95 00:04:47,600 --> 00:04:50,400 Diese beeinflussen gesundheitliche Deprivationen. 96 00:04:50,680 --> 00:04:54,520 Ressourcen sind Güter, Dienstleistungen oder Informationen. 97 00:04:54,600 --> 00:04:58,000 Diese gehören dem Individuum oder stehen ihm zur Verfügung. 98 00:04:58,520 --> 00:05:02,320 Strukturelle Faktoren beziehen sich auf strukturelle Beschränkungen 99 00:05:02,640 --> 00:05:04,840 zum Beispiel in der physischen Umgebung, 100 00:05:04,920 --> 00:05:08,600 in sozialen Einstellungen und Gesetzen, Systemen, Kultur, usw. 101 00:05:09,480 --> 00:05:13,640 All diese Faktoren beeinflussen das Wohlbefinden des Individuums. 102 00:05:14,160 --> 00:05:16,160 Mitra formuliert es so, ich zitiere, 103 00:05:16,240 --> 00:05:19,120 "gesundheitliche Deprivation ist eine notwendige, 104 00:05:19,200 --> 00:05:22,280 aber keine hinreichende Bedingung für eine Behinderung." 105 00:05:22,360 --> 00:05:26,360 Nach dieser Definition haben nicht alle Personen eine Behinderung, 106 00:05:26,440 --> 00:05:29,440 die Beeinträchtigungen, bzw. Beschwerden haben, 107 00:05:29,840 --> 00:05:32,400 allerdings sind alle von Behinderung bedroht. 108 00:05:32,800 --> 00:05:36,120 Beziehen wir uns auf ein Beispiel aus Mitras Artikel. 109 00:05:36,840 --> 00:05:40,320 Zwei alte Männer sind in ihrer Mobilität eingeschränkt. 110 00:05:40,400 --> 00:05:43,280 Nach Mitra wäre das eine gesundheitliche Deprivation. 111 00:05:43,360 --> 00:05:46,520 Beide erfüllen ähnliche Funktionalitäten (Leistungen): 112 00:05:46,600 --> 00:05:48,160 Sie sind nicht berufstätig. 113 00:05:48,560 --> 00:05:53,000 Deren Fähigkeiten (Möglichkeiten) können sich jedoch unterscheiden, 114 00:05:53,600 --> 00:05:56,920 abhängig von ihren persönlichen und strukturellen Faktoren. 115 00:05:57,280 --> 00:05:59,720 Ein Mann hat zum Beispiel Enkelkinder, 116 00:05:59,800 --> 00:06:03,200 um die er sich kümmern möchte (das ist ein persönlicher Faktor) 117 00:06:03,280 --> 00:06:05,360 und verfügt über die nötigen Mittel, 118 00:06:05,440 --> 00:06:08,400 um mit der Arbeit aufzuhüren (das sind die Ressourcen). 119 00:06:08,480 --> 00:06:10,840 Er könnte weiterarbeiten, wenn er wollte, 120 00:06:11,120 --> 00:06:15,160 da er verschiedene Jobangebote hat (das sind strukturelle Faktoren), 121 00:06:15,520 --> 00:06:19,080 aber er entscheidet sich dagegen (das ist seine Leistung). 122 00:06:19,760 --> 00:06:22,880 Im Gegensatz dazu könnte ein anderer Mann arbeiten wollen, 123 00:06:22,960 --> 00:06:26,360 niemand ist jedoch bereit ihn einzustellen, aufgrund des Alters 124 00:06:26,440 --> 00:06:28,360 und der eingeschränkten Mobilität. 125 00:06:28,440 --> 00:06:31,640 Das Ergebnis, die Folge, die Funktion ist dieselbe: 126 00:06:31,720 --> 00:06:34,280 sie arbeiten nicht; aber die Fähigkeiten, 127 00:06:34,600 --> 00:06:37,440 also die Möglichkeiten, sind unterschiedlich. 128 00:06:38,520 --> 00:06:41,960 Dies war eine notwendigerweise vereinfachte Kategorisierung 129 00:06:42,040 --> 00:06:44,920 und Beschreibung der Modelle von Behinderung. 130 00:06:45,000 --> 00:06:48,280 Sie können sich weitere Kategorisierungen ansehen. 131 00:06:48,360 --> 00:06:50,640 Informieren Sie sich über weitere Modelle 132 00:06:50,720 --> 00:06:53,040 und entdecken Sie all deren Feinheiten. 133 00:06:54,680 --> 00:06:57,200 Diese Videovorlesung wurde erstellt von Anna Matamala 134 00:06:57,280 --> 00:06:59,400 von der Universitat Autònoma de Barcelona. 135 00:06:59,480 --> 00:07:02,760 Unter anna.matamala@uab.cat können Sie mich erreichen. 136 00:07:03,800 --> 00:07:05,000 Bilder 137 00:07:05,240 --> 00:07:06,080 Quellen: 138 00:07:06,160 --> 00:07:07,360 pixabay.com 139 00:07:07,560 --> 00:07:08,760 pexels.com 140 00:07:09,200 --> 00:07:10,160 Lizenz: 141 00:07:10,240 --> 00:07:11,440 Pixabay License 142 00:07:11,520 --> 00:07:12,720 Pexels License 143 00:07:14,200 --> 00:07:17,960 Das EASIT-Projekt wird unterstützt von der Europäischen Kommission 144 00:07:18,040 --> 00:07:19,800 im Sinne des Erasmus+-Programmes 145 00:07:19,880 --> 00:07:22,280 für strategische Hochschulpartnerschaften 146 00:07:22,360 --> 00:07:29,200 Finanzhilfevereinbarung 2018-1-ES01-KA203-05275. 147 00:07:29,560 --> 00:07:33,120 Die Unterstützung der Europäischen Kommission dieser Produktion 148 00:07:33,200 --> 00:07:35,680 setzt keine Zustimmung zu den Inhalten voraus, 149 00:07:35,760 --> 00:07:38,280 die nur die Meinung der Urhebenden darstellen, 150 00:07:38,360 --> 00:07:41,240 sodass die Kommission keine Verantwortung übernimmt 151 00:07:41,320 --> 00:07:44,200 für Nutzungen der darin enthaltenen Informationen. 152 00:07:44,920 --> 00:07:48,200 Dieses Produkt unterliegt einer Creative Commons Lizenz, 153 00:07:48,280 --> 00:07:51,440 der internationalen Attribution-ShareAlike 4.0 Lizenz. 154 00:07:51,760 --> 00:07:54,000 Partnerschaften des EASIT-Projekts: 155 00:07:54,080 --> 00:07:56,280 Universitat Autònoma de Barcelona 156 00:07:56,720 --> 00:07:58,840 Università degli Studi di Trieste 157 00:07:59,280 --> 00:08:00,600 Universidade de Vigo 158 00:08:01,080 --> 00:08:03,000 Stiftung Universität Hildesheim 159 00:08:03,280 --> 00:08:04,680 SDI München 160 00:08:04,760 --> 00:08:06,040 Dyslexiförbundet 161 00:08:06,320 --> 00:08:08,160 Radio Televizija Slovenija 162 00:08:08,240 --> 00:08:09,520 Zavod Risa 163 00:08:15,800 --> 00:08:17,000 EASIT 164 00:08:17,080 --> 00:08:20,040 Training in leichter Zugänglichkeit für mehr Teilhabe. 165 00:08:20,120 --> 00:08:22,080 Untertitelt von: Eleni Lorenzen.